Berichte von 05/2021

Leben in Riga

07Mai2021

Hey ihrs :)

 

,,der April macht, was er will“, ,,typisch April“ oder ,,was ein Aprilwetter“ habe ich die letzten Wochen ziemlich oft gehört. Und es stimmt: Das Wetter hier hat absolut verrückt gespielt. Dem Wetterbericht kann man ja sowieso nicht trauen, aber die Wetterumschwünge waren schon sehr extrem. Den einen Tag hatten wir Sonne und 16 °C und am nächsten bin ich wieder mit meiner Winterjacke und in Winterschuhen zur Arbeit gegangen. Es hat sogar noch mehrmals geschneit und oft kam keine 5 min später die Sonne wieder raus. Was das Wetter angeht, war der April schon ein verrückter Monat. Ansonsten ist nicht viel passiert. Der Alltag und die Pandemie haben uns fest in ihren Händen. Nach ewigem Hin und Her ob, wann und womit wir geimpft werden können, haben wir jetzt endlich für nächste Woche einen Impftermin. Und unsere WG hat wieder Zuwachs bekommen, nun leben wir hier wieder zu acht.

Sonnenuntergang am kleinen Hafen um die EckeSonnenuntergang mit Blick auf die lettische Nationalbibliothek und die Eisenbahnbrücke

Da ich diesen Monat nicht viel von spannenden Unternehmungen zu berichten habe, dachte ich mir, ich erzähle euch mal ein wenig vom generellen Leben hier in Lettland und den Unterschieden zu Deutschland.

Was mir am meisten hier fehlt (was ich vorher nie gedacht hätte, dass es mir fehlen wird), ist tatsächlich das deutsche Brot. Man merkt hier erst einmal, wie sehr die Deutschen ihr Brot bzw. ihre vielen verschiedenen Brotsorten lieben. In Lettland ist das meiste Brot sehr weich und hell oder die dunkleren Brotsorten sind meist mit Kümmel. Jedenfalls kann man die Brotsituation hier überhaupt nicht mit der zu Hause vergleichen. Wenn man dann doch mal bei den wenigen Bäckern, die es hier gibt (das meiste sind auch eher Konditoreien), ein Brot kauft, sind diese meist recht teuer und werden dann auch bei uns in der WG ziemlich schnell verschlungen. Der größte Unterschied, den man merkt, sobald man durch Lettland oder Riga fährt, ist die Architektur.

Die historische Altstadt gehört seit 1997 zum UNESCO-Weltkulturerbe und die Jugendstilgebäude sind einfach atemberaubend schön. Allerdings ist der Verfall und Verelendung der Häuser auch ziemlich schnell zu beobachten, sobald man sich etwas vom Zentrum und von den eigentlichen Touristenspots entfernt. Viele Gebäude wirken sehr alt und heruntergekommen, trotzdem wohnen meistens noch Menschen drin. Des Weiteren denke ich, dass Lettland zur Zeit auf der Kippe steht, ob es sich weiterentwickelt oder in der Zeit stehen bleibt. Denn einerseits ist hier vieles modern. Vor allem das bargeldlose Zahlen finde ich sehr fortgeschritten oder man hat eigentlich überall guten Handyempfang/Internetempfang sogar irgendwo im nirgendwo. Aber anderseits gibt es viele, viele alte und marode Gebäude und Verkehrsmittel. Die Straßen sind nicht nur aufm Land, sondern auch in der Stadt schlecht. Generell habe ich das Gefühl, dass hier eben noch teilweise die Zeit stehen geblieben ist. Und mir fallen immer wieder Ding auf, die mir mein Opa von früher erzählt hat. Zum Beispiel gibt es hier Busse mit einer Oberleitung. Oder letztens stand ich mit dem Fahrrad an einem Bahnübergang und es gab tatsächlich neben den Schranken ein kleines Wärterhäuschen, wo die Schranken gesteuert wurden. Auch bei den Straßenbahnen oder Zügen kann man alte oder neue erwischen.

In dem Zusammenhang muss ich echt den öffentlichen Nah- und Fernverkehr in Lettland loben. Generell sind die öffentlichen Verkehrsmittel hier im Gegensatz zu Deutschland billig und sie kommen immer pünktlich. Ich habe noch nie auf eine verspätete Bahn oder Bus warten müssen. Mit den Bussen kann man auch für wenige Euro ganz leicht vom Zentralmarkt in so ziemlich jede Richtung von Lettland fahren und bei den längeren Fahrten von mehreren Stunden sind die Busse meist sogar überpünktlich an ihren Stationen. Zudem ist mir aufgefallen, dass seit dem ich in einer Großstadt wohne und auch kein Auto zur Verfügung habe Entfernungen nicht mehr so weit einschätze. Ich finde Strecken von ein paar Kilometern laufen sich hier schnell weg oder man kann sie bequem mit dem Fahrrad überwinden. Und selbst wenn man einen langen Weg zu Fuß macht, hat man immer die Gewissheit, dass man auch relativ billig mit einem Taxi wieder zurückfahren kann. Dafür ist 'Bolt' extrem praktisch. Bolt ist im Prinzip das Gleiche wie Uber in den USA, wo man sich mit einer App ein Taxi bestellen kann. Auch hier muss man nicht mal unbedingt mit Bargeld bezahlen. Das ist sehr praktisch, vor allem wenn man selber kein Auto besitzt, aber schnell und bequem von A nach B kommen möchte. Wir haben das schon unzählige Male benutzt. Außerdem habe ich auch erst hier gelernt, wie einfach es zu Hause war, Pakete zu bekommen. Hier muss man sich meist bis zu ner ¾ Sunde oder länger am Postschalter anstellen, um sein Paket abholen zu können oder wenn man ein Paket von zu Hause geschickt bekommt und die eigene Nummer drauf steht, dann rufen die Postboten an, wenn sie bei einem vor der Tür stehen und dann kann man das Paket bequem entgegennehmen. Blöd ist nur, dass man zu der Zeit meist im Kindergarten ist und man es dann oft doch bei der Post abholen muss. Ein weiterer großer Unterschied ist, dass die meisten Gebäude hier eine Zentralheizung haben. Deswegen empfinde ich persönlich es meistens zu warm in so ziemlichen allen Räumen, egal ob im Kindergarten oder bei uns in der Wohnung. Und auch dort kommt das Klischee, dass die Deutschen Lüften lieben, wieder durch, denn bei uns allen ist fast ständig das Fenster mindestens angeklappt (drüber, wie das richtig heißt, gibt es hier übrigens auch Diskussionen. Anscheinend liege ich mit meinem 'angeklappt' falsch und die Bezeichnung 'ankippen' oder 'auf Kipp machen' sei richtig. Aber darüber lässt sich streiten haha). Sogar im Winter hatte ich oft das Fenster auf, eben weil sich wegen der Zentralheizung leider nur so die Temperatur im Raum regeln lassen kann. Das ist eine Sache, die mich hier etwas stört, genau so wie es auch keine wirkliche Mülltrennung gibt. Man trennt bloß Pappe/Papier von allem andern. Gerade am Anfang hat sich mein inneres Ich dagegen gesträubt Bioabfall, Restmüll und Plastik in einen Eimer zu schmeißen, aber inzwischen hat man sich (leider) dran gewöhnt (ich fürchte, wenn ich zu Hause bin, muss ich mich erst einmal wieder an die Mülltrennung gewöhnen). Was ich auch schade finde, ist der hohe Verbrauch an Plastiktüten. Wenn man zum Beispiel auf dem Zentralmarkt Obst und Gemüse einkauft, kriegt man für alles eine neue Tüte. Wir versuchen immer schon drauf zu achten, dass wir das ohne Tüte nehmen und habe auch kleine wiederverwendbare Beutel, die wir dann zum Einkaufen mitnehmen, aber dennoch kriegen wir viel zu oft unser Obst und Gemüse in Plastiktüten. Aber wie die Deutschen das so machen, sammeln wir diese auch und benutzen sie einfach als Müllbeutel wieder. So landen sie wenigstens nicht irgendwo am Straßenrand. Dahingehend finde ich Lettland bzw. Riga auch gut, denn hier gibt es eigentlich relativ viele Mülleimer in Parks und in der Stadt (dort sind sie meist an Häuserwänden angebracht), so kann man seinen Müll immer gut wegschmeißen. Leider treffen aber anscheinend nicht alle Leute den Mülleimer oder Vögel holen den Müll teilweise wieder raus, sodass um den Mülleimern oft Müll herum liegt.

Freiheitsdenkmal

Alles in allem habe ich das Land schon ins Herz geschlossen und auch wenn ich mich in knapp 4 Monaten nach einem Jahr Lettland auf zu Hause freue, werde ich die Stadt, das Land und die Leute, die ich hier kennengelernt habe (leider wegen der Pandemie fast keine Einheimischen; abgesehen von den Kindern) vermissen.

 

Ich hoffe, ihr könnt einen schönen Frühling genießen. Bleibt gesund!

 

Bye bye weißer Hai :)